Im Themenbereich „Sortimentspolitik“ sind nachhaltige Sortimente seit vielen Jahren einer der wichtigsten Trends. Im Folgenden werden konkrete Empfehlungen gegeben, diesen Trend erfolgreich aufzugreifen. Wenn Unternehmen hier noch nicht gehandelt haben, ist es höchste Zeit, aktiv zu werden („Act“). Die Schweizer Detailhändler arbeiten bereits seit langem daran, die Nachhaltigkeit ihrer Sortimente und Leistungen stetig zu verbessern; Coop und Migros gehören hierbei weltweit zu den führenden Unternehmen, sodass deren Aktivitäten auch für die anderen Detailhändler als Vorbild dienen können.
Dabei sind nachhaltige Sortimente wichtig,
- weil Konsumenten zunehmend nachhaltige Produkte nachfragen,
- weil die Politik zunehmend rechtliche Regelungen erlässt, die die Nachhaltigkeitsanforderungen an Produkte erhöht und nicht zuletzt,
- weil Unternehmen so auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen.
Der wichtigste Ansatzpunkt bei der Produktentwicklung nachhaltiger Produkte ist dabei nicht – wie in den meisten anderen Bereichen der Neuproduktentwicklung – Konsumenten zu befragen, sondern es geht stärker um eine interne Analyse der ökologischen und sozialen Auswirkungen der eigenen Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Je nach Branche sind die wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekte unterschiedlich. Dies können die Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern sein, die hohe Belastung natürlicher Ressourcen, z.B. durch Abholzung von Wäldern für Agrarflächen in Entwicklungsländern, die Löhne in der Schweiz, die CO2-Belastung bei internationalen Transporten vs. die mögliche Beschaffung von Schweizer Produkten aus der Region, schädliche Inhaltsstoffe bei Produkten oder vieles mehr sein. In jüngerer Zeit gewinnt – getrieben unter anderem von der Diskussion zu Mikroplastik – auch das Verpackungsthema enorm an Dynamik.
Daher sollten Unternehmen zunächst für ihre Produkte und die Unternehmen insgesamt eine Materialitätsanalyse (Wesentlichkeitsanalyse) durchführen, um zu identifizieren, welche Nachhaltigkeitsthemen besonders relevant sind (interessante Beispiele sind die Materialitätsanalyse von Beiersdorf und die Materialitätsanalyse von Uelzena). Basierend auf diesen Ergebnissen sollten für die wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekte Analysen durchgeführt werden, wie die jeweiligen Produkte hier zu Belastungen führen (z.B. „CO2-Footprint) und wie hier Verbesserungen erzielen kann.
Dabei gibt es bezüglich der ökologischen Belastungen zwei grundsätzliche Stossrichtungen, in die Unternehmen arbeiten können:
- Zunächst geht es darum, die Öko-Effizienz der Produkte zu verbessern, d.h. Schadstoffe zu vermindern, für die Produktion weniger Ressourcen zu verbrauchen usw. Dies ist der schnellste und einfachste Weg, die eigenen Sortimente nachhaltiger zu machen. Jedoch wird in jüngster Zeit kritisiert, dass das Potenzial solcher Massnahmen begrenzt ist, weil ökologische Probleme so zwar verringert, aber nicht beseitigt werden. Dennoch sollten Unternehmen in der Schweiz daran festhalten, Schritt für Schritt ihre Sortimente so zu verbessern.
- Bei der Öko-Effektivität geht es um einen radikaleren Ansatz, bei dem von Anfang an bei der Produktentwicklung in Produktkreisläufen gedacht wird. Ziel bei diesen ganzheitlichen Lösungen, die auch unter dem Begriff „Cradle-to-Cradle“ diskutiert werden, ist es, eine unbegrenzte Wiederverwendung der eingesetzten Rohstoffe zu erreichen. Alles verwendete Material soll dabei nach Gebrauch weiterverwendet oder ohne schädlich Rückstände kompostiert werden können.
Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt zu (Weiter-)Entwicklung nachhaltiger Sortimente ist die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Labels und die Einhaltung derer Standards. Nachhaltigkeits-Labels gibt es in allen Sortimentsbereichen, z.B. Knospe Bio Suisse, Fairtrade Max Havelaar, FSC, MSC, ASC, Naturaland, UTZ, Rain Forst Alliance u.v.m. Zudem haben die Schweizer Grossverteiler in den letzten Jahrzehnten eigene Labels entwickelt, die sich im Markt etabliert haben (z.B. Naturaline, Oecoplan, Aus der Region. Für die Region.).
Grundsätzlich stellt sich jedoch bei der Label-Nutzung die Herausforderung, dass es zwar unzählige Labels gibt (einen guten Überblick gibt Labelinfo.ch), dass die Kunden aber viele der Labels nicht genau kennen und die Standards nicht wirklich unterscheiden können. Statt einem möglichst breiten Label-Portfolio und der weiteren Entwicklung firmenspezifischer Labels wäre es für alle Beteiligten besser, sich auf wenige, aussagekräftige Labels zu einigen (diese Empfehlung betrifft nicht die bereits etablierten und im Markt bekannten Labels der Grossverteiler). Dies ist letztlich eine Aufgabe, die in Diskussionen auf Branchenebene gelöst werden sollte.
Von daher empfiehlt es sich für Schweizer Detailhändler und Hersteller, auf Labels mit möglichst strengen Standards zu setzen, die den hohen (und steigenden) Anforderungen der Schweizer Konsumenten gerecht werden. Gleichzeitig ist es aber für "Nachhaltige Sortimente" auch notwendig, die strengen Standards besser und intensiver in Richtung Konsument zu kommunizieren.
Eng damit verbunden ist auch die Frage der Rückverfolgbarkeit der Produkte, die nicht automatisch in den Label-Standards enthalten ist. Dies entspricht aber nicht nur einem Konsumentenbedürfnis, sondern zunehmend auch der Risikoabsicherung der Hersteller und Detailhändler. Von daher sollten Unternehmen schnell mit ihren Lieferanten daran arbeiten, eine wirkliche Rückverfolgbarkeit der Produkte sicherzustellen.
Zudem kann es sinnvoll sein, sich an den Handlungsempfehlungen des WWF zu orientieren. Dieser verlangt für mehr Nachhaltigkeit im Sortiment, der Handel müsse (WWF, 2019, S. 18):
- die Umweltrisiken in den Sortimenten systematischer anhand von Ökobilanzen und Wasserrisikoanalysen erfassen, Ziele erarbeiten und entsprechenden Massnahmen umsetzen,
- bei den eigenen Ansprüchen ehrgeiziger sein und die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten berücksichtigen,
- seine wichtigsten Lieferanten zu Reduktionszielen in der Lieferkette verpflichten und mittels Schulungen für Umweltthemen sensibilisieren,
- in die Rückverfolgbarkeit und Transparenz über die Lieferketten investieren, um kritische Rohstoffe wie Palmöl, Soja, Kaffee und Kakao effektiv managen zu können,
- den Anteil an Label-Produkten erhöhen,
- den Bezug von Produkten aus fossil beheizten Gewächshäusern vermindern oder stoppen und
- Flugtransporte vermindern oder ganz stoppen.
Weitere Handlungsempfehlungen hat Zalando aus seiner Studie zum Attitude-Behaviour-Gap in der Modebranche abgeleitet. In der Studie geht es darum, wie Konsumenten dazu gebracht werden können, ihr Kaufverhalten in Sachen Nachhaltigkeit auch ihren hohen Erwartungen dazu anzugleichen. Folgende Empfehlungen wurden zwar für die Modebranche erarbeitet, können jedoch auch in anderen Branchen eingesetzt werden (Studie, Zalando, 2021):
- Setze auf Transparenz und nimm deine Kund*innen mit auf die Nachhaltigkeitsreise.
- Sprich so über Nachhaltigkeit, dass es jede*r versteht.
- Hilf deinen Kund*innen dabei, sich von der Nachhaltigkeitsmission deiner Marke überzeugen zu lassen.
- Hilf deinen Kund*innen dabei, nicht mehr, sondern richtig zu kaufen.
- Nutze Daten und Technologie, um nicht nachhaltige Rabatte zu vermeiden.
- Steigere den Verkauf nachhaltiger Produkte, indem du deine Kund*innen mit Faktoren wie Qualität und Passform motivierst.
- Nutze deinen Einfluss auf sinnvolle Weise: Gib neben Influencer*innen auch deinen Kund*innen und Mitarbeiter*innen eine Stimme.
- Wende die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft im gesamten Lebenszyklus eines Produktes an.
- Investiere in Secondhand.
- Hilf deinen Kund*innen, Kleidung richtig zu pflegen und zu reparieren.